Fuckup-Nights der Demokratie


1. März 2024 | Prägung

Erneut die Rede von Höcke gehört, in der er im Sinne Gramsci spricht: »Wer die Begriffe prägt, prägt die Sprache. Wer die Sprache prägt, prägt das Denken. Wer das Denken prägt, prägt den politischen Diskurs. Und wer den politischen Diskurs prägt, der beherrscht die Politik, egal, ob er in der Opposition ist oder in der Regierung.« Selten galt das mehr als beim Begriff der Remigration.

3. März 2024 | Faktenfindung

Noch einmal der AfD-Vorsitzende. Der wechselt seinen Wahlkreis. Nicht im Eichsfeld, seiner Wahlheimat, der er sich so herzlich verbunden fühlt, wird er antreten, sondern im weit entfernten Greiz. Die Direktmandatchance dort ist größer.

Auch beschlossen: Ein TV-Duell zwischen Mario Voigt und Björn Höcke, ausgerichtet von der WELT. Hatte Mario Voigt in unserem Interview so formuliert: Der Hauptgegner der Thüringer CDU ist die AfD. Dass das Duell ausgerechnet am 11.4. stattfindet, dem Jahrestag der Befreiung Buchenwalds, ist ein sehr scheußlicher Belang.

Was live nicht möglich ist: in Kontext setzen, einordnen, Äußerungen prüfen. Was geschieht, geschieht unmittelbar. Die Souveränität, die Rhetorik eines Gegenübers, der kein Interesse am Gespräch hat, sofort zu erkennen und darauf zu reagieren, besitzen nur wenige.

Wenn es sein soll, wäre mindestens ein notwendiges Format: Solche Duelle nicht live zu senden, sondern mit Verzögerung, so dass Faktenfinderinnen Zeit haben, das Gesagte zu bewerten und zu benennen, so dass schon in der Ausstrahlung selbst mit Untertiteln Desinformationen benannt werden können. Nachträglich schaut keiner mehr in die Richtigstellung.

Dies alles unter der altmodischen, naiven Prämisse, dass Fakten in Gesprächen mit rechtsextremen Populisten Bedeutung haben könnten.

4. März 2024 | Verhältnismäßigkeiten

Seit Tagen die Republik im Aufruhr wegen der Verhaftung untergetauchter, ehemaliger RAF-Mitglieder. Verhältnismäßigkeiten und die Frage, ob mit gleicher Verve nach untergetauchten Rechtsextremen gesucht und öffentlich begleitet wird. Verhältnismäßigkeiten, wenn sich ein Polizist viele Sekunden lang auf Hals und Kopf eines Mädchens der Letzten Generation kniet. Verhältnismäßigkeiten, wenn Bauern aus Protest Misthaufen auf die Autobahn kippen und damit Unfälle mit mehreren Verletzten verursachen.

Im sächsischen Großschirma wird der zweite AfD-Bürgermeister Deutschlands gewählt.

5. März 2024 | Fuckup-Night der Demokratie

Nachmittags Dreh im Bildungszentrum der Thüringer Polizei in Meiningen. Dort in einem Hörsaal die Vorstellung neuer Mitteldistanzwaffen. Vier davon liegen – bunt, die Seriennummer verdeckt, die Aufbewahrungskoffer dürfen nicht gefilmt werden – auf einem Tisch aus. Der Innenminister betont mehrmals, dass er hoffe, dass diese Waffen niemals zum Einsatz kämen.

Danach geht es in den Schießstand, Gehörschutz aufsetzen, Laserstrahlen fixieren das Ziel an, zwei Trainer feuern mehrere Schüsse auf eine digitale Projektion ab, Hülsen ploppen auf den Boden. Einer der anwesenden Journalisten will eine Hülse als Mitbringsel aufnehmen, einer der Polizeibeamten unterbindet dieses Ansinnen, die Hülsen seien abgezählt.

Am Abend die »Fuckup-Night für die Demokratie« im Hörsaal 1 der Universität Erfurt. Vier Spitzenkandidatinnen und Kandidaten der Thüringer Landtagswahl sowie der hiesige Generalsekretär der FDP sollen über Fehler sprechen, eigene Fehler. Das ist das Konzept des Abends: »Adaptiert aus der Start-up-Szene werden an diesem Abend fünf mutige Spitzenpolitiker*innen über ihre persönlichen wie politischen Fehler sprechen, diese reflektieren und uns allen verraten, was sie und wir daraus lernen können.«

Deshalb ist der Hörsaal heute ein SafeSpace. Filmen ist nicht gestattet, anfangs der Appell, man solle respektvoll mit dem Gesagten umgehen. Ein Professor der Kommunikationswissenschaft hält einen Impuls, sagt: »Sie haben sich entschieden, als Politikerinnen und Politiker unserer repräsentativen Demokratie für uns alle in den Wind zu stehen und Sie halten diesen Wind aus. Dafür verdienen Sie zuerst einmal unsere Anerkennung, egal, wie wir im Einzelnen zu Ihnen stehen.«

Anschließend bittet er um Applaus für die anwesenden Politikerinnen und Politiker. Das wirkt im ersten Moment pastoral, setzt aber in Zeiten, in denen Galgen auf Demonstrationen getragen werden, einen Ton für den Abend, eine Art Anti-Die-Da-Oben.

So ist der Eindruck, dass die Politikerinnen dankbar sind für diesen Applaus, diese Einstellung der Anwesenden ihnen gegenüber, auch für die Möglichkeit, nicht über Inhalte, sondern die Form sprechen zu können. Zehn Minuten hat jede/r Zeit, eigene Fehler zu benennen. Das ist auch ein bisschen Spieltheorie: Wie viel gebe ich preis im Vergleich zu anderen, wie weit wage ich mich vor?

Mario Voigt, CDU, legt die Latte hoch, erzählt von der Wahl 2020 und den verpassten Neuwahlen und seiner Rolle darin. Dem folgen dann auch andere Sprecher. Und es wird deutlich, wie tief sich diese Ereignisse in die Biografien und die Köpfe der Einzelnen gegraben haben, wie diese Vergangenheit weiterhin die Gegenwart bestimmt, das Handeln heute. Bodo Ramelow spricht von einer »Topographie des Wehtuns«.

Einiges des Gehörten wurde schon oft erzählt, anderes, so lässt die Reaktion der Anwesenden vermuten, wird zum ersten Mal gesagt, zumindest zueinander. Und das wiederum setzt ein gemeinschaftliches Erstaunen frei: Warum ist es so schwer, darüber zu sprechen, über die eigene Rolle darin, welche Fehler man in diesen nicht unkomplizierten Vorgängen gemacht hat?

Später ein gemeinsames Podium. Auch wieder ein Benennen von Fehlern, auch, wie schwer es ist, Räume zu schaffen, in denen das geschehen könnte, auch, weil stets die Befürchtung ist, die politischen Gegner könnten dies nutzen. Die fünf auf der Bühne, von denen man weiß, dass es beachtliche Differenzen zwischen einigen ihnen gibt, sitzen zusammen, reden. Mario Voigt begründet, weshalb er in ein Fernsehduell mit Björn Höcke gehen wird. Der Innenminister neben ihm begründet, warum er das für falsch hält und fügt dann hinzu: Ich hoffe sehr, dass es kein Fehler wird, was du da vorhast, Mario.

Als jemand aus dem Publikum fragt, wie man aus den Fehlern von 1933 lernen könnte, zieht Schwere ein. Das Abwesende ist das Bedrohliche. Der Abend ist vom Zuhören geprägt, vom Eingestehen, einander Zugestehen. Auch wenn man noch so unterschiedlich auf die Welt blickt: Man sieht die Welt in ihren Grundsätzen ähnlich.

Doch bei dieser Frage wird klar: Das ist auch notwendig. Das ist auch das absolute Minimum. Jedem vorn im Podium ist bewusst, dass, egal, was er oder sie vom TV-Duell hält, er oder sie hoffen muss: Es darf kein Fiasko geben. Wenn Mario Voigt dabei scheitert, wenn die CDU dabei scheitert, auf dem Land scheitert, dann wird die Fuckup Night 2025 ganz anders aussehen.

Nach zweieinhalb Stunden pendelt die Stimmung irgendwo zwischen konstruktiv, verhalten zuversichtlich und bang. Der Chefredakteur der Thüringer Allgemeinen übernimmt das Schlusswort, sagt: »Ich hoffe, dass die nächsten Landtagsdebatten nicht ganz so harmonisch ablaufen, weil dann ist es etwas langweilig.«

Mit dieser Einstellung antizipiert er das Kommende. Wir bleiben noch im Hörsaal, stehen zusammen, reden. Eine Viertelstunde später geht ein Gerücht rum: Eine dpa-Meldung sei erschienen, darin stehe, dass Bodo Ramelow damals auf Clubhouse betrunken gewesen sei. Und dann ploppen die Artikel auf; Stern, Süddeutsche, Thüringen24, Bild, Ramelow betrunken, das ist, was vom Reden über Fehlerkultur bleibt, über das Eingestehen und Reflektieren, das Differenzieren, drei Gläser Bier, ist was bleibt, betrunken, wieder eine verschenkte Möglichkeit, den Kreislauf zu durchbrechen, ein Fuckup.

6. März 2024 | notwendig

Ein Gespräch, auch über Themen dieser Chronik, die heißen Eisen, Bezahlkarte, die Wahrnehmung darauf. Unterschiedliche Blicke. Ich argumentiere, verteidige, versuche zuzuhören, bin überrascht, empört, unsicher, unwissend, rudere zurück, werde bestimmt, schweige. Später dann das Nachschauen einiger im Gespräch genannter Reibungspunkte. Kein Relativieren, aber der Versuch, analytischer, faktischer an Themen zu gehen, von denen ich weiß, dass sie mich aufwühlen.

7. März 2024 | Bahnstreik

An diesem Donnerstag der nächste Bahnstreik. Die Sympathien für die GDL und Claus Weselsky halten sich in der öffentlichen Meinung in Grenzen. Und auch hier: Warum richtet sich die Wut nicht auf die eigentlichen Probleme, warum verrennt sie sich in Nebenschauplätzen, warum gelingt es den Beteiligten nicht, die Wut anders zu steuern, zu nutzen?

8. März 2024 | Schäfchen im Trocknen

Letztens ein Gespräch über Beobachtungen darüber, wer jetzt beginnt, seine Schäfchen ins Trockne zu bringen, wer sich präventiv bedeckt hält, neuorientiert, Optionen durchspielt, wie er oder sie sich ab September verhalten müsste im Fall dass. Ich mache keinen Vorwurf. Ich denke selbst so. Überlege, wie klug es ist, diese Chronik öffentlich zu führen, was davon besser im Privaten zu belassen, spekuliere, wer das lesen könnte, wie es gelesen werden könnte, in Zukunft gelesen werden wird.

9. März 2024 | die letzte Warnende

Frühlingssamstag. In der Innenstadt viele Menschen unterwegs, das Eiscafé am Theaterplatz hat die Tische weit herausgeschoben. Vor dem Denkmal vier Menschen. Sie halten ein Banner hoch: »Klimakatastrophe = Nährboden für Faschismus«. Eine junge Frau mit Megafon ruft den Vorbeilaufenden zu. Kaum jemand bleibt stehen, kaum jemand hört zu. Eher Belustigung: Hast du gehört, wir sollen bei ungehorsamen Aktionen mitmachen, sagt ein Ehepaar amüsiert zu einem anderen Ehepaar. Jugendliche stellen sich vor die Frau, reden absichtsvoll laut. Kaum jemand nimmt die Vier zur Kenntnis, lieber Eis essen, lieber in der Sonne sein, so, als hätte die Letzte Generation ihre Chance gehabt, so, als wäre für dieses Warnen die Zeit abgelaufen. Die Frau ruft weiter, immer weiter, ihre Megafonstimme bleibt gleich laut und während ich schweigend an ihr vorbeilief, fühlte ich eine große Traurigkeit in mir, der Sommer, die Sonne, die verzweifelte, die vergebens, die verlachte Warnende.

10. März 2024 | 1520

Stand zu diesem Tag: 1520 Demos, 4,4 Millionen Menschen.

11. März 2024 | Beats

Beats im Kleinen ahnen und sie für bedeutsam halten. Die Beats hören, die Gruppen in verschiedenen Zusammensetzungen machen. Dahin schauen und dahin hören, wo ich glaube, dass Verschiebungen stattzufinden scheinen, festhalten, wann welche Begriffe gebraucht und alltäglicher werden, kleine Bemerkungen, Randnotizen, um zu verstehen: Da ist etwas am Rutschen.

Das ist auch die Schwierigkeit. Den Meisten wird das Kleine als Beleg für eine Verschiebung nicht genügen. Doch ist aus dem Beat das Wort die Wut die Petition das Gesetz geworden, hat sich die Verschiebung eingefügt und eingerichtet in der Gegenwart, dann ist die Verschiebung keine Verschiebung mehr, sondern Regel.

Es gibt viele Metaphern für diese Art des Sammelns. Seismograph ist ein pathetischer Begriff, gedacht für ermüdende Reden auf Auszeichnungsveranstaltungen; sie war ein Seismograph gesellschaftlicher Veränderungen etc. Aber geht es doch auch darum, die Ausschläge zu sehen, bevor die Amplitude zunimmt.

Auch der Schmetterlingsflügelschlag ist ein solches Sinnbild, das Kleine, das sich zu Großem auswächst. Beats gefällt mir besser, scheint mir geeigneter zu sein. Beats sind nicht zufällig gesetzt, sind keine Naturerscheinung ohne Zutun des Menschen. Beats sind bewusste Bemerkungen und Handlungen, manchmal mit, manchmal ohne Blick auf die Verschiebungen, dessen Vorbote sie sind, die sie letztlich einleiten.

Und auch: Diese Chronik ist keine über Beats. Beats waren das vor Jahren. Für Beats ist 2024 schon zu spät.

Die rechtsextreme Chenga-Partei wird in Portugal drittstärkste Kraft.

12. März 2024 | Bodo Ramelow und die Unstrut-Lamas

Dreh heute mit Bodo Ramelow. Die Begleitung eines Tages in seiner Funktion als Ministerpräsident, als Landesvater. Zuerst in Herbsleben sein, bei Unstrut-Lamas. Man kann mit den Tieren Wanderungen machen, der Zweck, Teambuildingmaßnahmen; bürsten, Halfter anlegen, führen und führen lassen. Was für Chefs.

Der Hof liegt beim Seelengrabenweg in Herbsleben. Dort ist es so, wie es klingt, auch eine Welt zu Ende. Für das Ende der Welt sind erstaunlich viele Medienleute anwesend, wir ja auch. Warum eigentlich? Welchen Nachrichtenwert hat es, wenn ein Ministerpräsident mit Lamas wandert? Ein skurriler Termin, weil Lamas skurrile Tiere sind? Und die Bilder, die entstehen werden, werden skurril sein und deshalb in die Bilddatenbanken hochgeladen und einmal von Redakteuren ausgewählt werden, weil es sich abhebt von den tausenden unskurrilen Bildern, die sonst Texte über den Landesvater bebildern?

Bodo Ramelow scheint nicht so recht zu wissen, was er bei den Lamas soll. Ein bisschen Konversation mit der Lamabesitzerin machen, dann scheint er zu beschließen – vielleicht auch, weil er erfahren hat, dass für den Termin eine Stunde veranschlagt ist – die Sache anzunehmen, im Moment zu sein. Er kümmert sich um Lama Max, widmet ihm seine Aufmerksamkeit, bürstet, führt, lässt sich führen. Im Interview dabei dann auch ernste Aussagen zum Kabinett und zur Thüringer Verfassung. Max hat Hunger und zerrt den Ministerpräsidenten immer wieder aus dem Gespräch heraus. Erst kommt eben das Fressen, sagt der Ministerpräsident, und lässt den Rest offen, man kennt Brecht.

Anschließend Fahrt nach Ilmenau, der Ministerpräsidentenwagen nahe der 200 Stundenkilometer über die A71. Treffen an einer Brache an der Ilm, die renaturiert werden soll. Ein größerer Tross begleitet den MP. Jeder erwartet was vom Landesvater. In dieser Funktion ist er gefordert, muss zuhören, muss antworten, muss für alle da sein, die Blicke sind auf ihn gerichtet, so hat er sich zu verhalten.

Nächster Termin: Am Ritzebühler Teich hat sich der Biber breitgemacht, Überschwemmung könnte drohen. Ein Experte erklärt, dass Finanzen gebraucht werden, präventiv müsse man handeln. Der Ministerpräsident erinnert an den Wolf, wie sich da trotz Widerstände Routinen etablierten, so werde es auch beim Biber sein, die Akzeptanz in der Bevölkerung werde wachsen.

Wieder ein Tier, wieder skurril, wieder lokal. So ist der Blick von außen. Hier, am Ritzenbühler Teich ist das aber relevant, weil vor ein paar Jahren halb Ilmenau unter Hochwasser stand. Und damit das nicht noch einmal passiert, muss man sich auch als Ministerpräsident heute mit dem Biber beschäftigen. So ist das vielleicht der wichtigste Termin, den ein Politiker haben kann: Szenarien der Zukunft erstellen und sicherstellen, dass sich bestmöglich darauf vorbereitet wird. Auch wenn es um ein skurriles Tier geht, den Biber.

Zum Abschluss des Tages Festhalle Ilmenau. Zum Bürgerdialog unter dem Namen Ramelow direkt können die zahlreich erschienenen Gäste Fragen auf Bierdeckel notieren. Dadurch sei ein zivilisierter Dialog möglich, wird uns gesagt. Möglich werden dadurch auch Monologe des Ministerpräsidenten über Demografie, Südling, Energie, Gewerkschaften, AfD, Ukraine, BSW, Schulen, Studium, Detailwissen in nicht aufzunehmenden Mengen.

Ein Eindruck aus dem vielen genannten Beispielen: Auch wer in solcher Verantwortung ist, kann das groß aus der Bahn Laufende nur bedingt ändern. Deshalb sucht sich der in der Verantwortung Stehende auch kleine Projekte. Deshalb spricht der Ministerpräsident sehr ausführlich über eine vietnamesische Hochschule, auf der man einen Abschluss der IHK Thüringen machen kann, weshalb vietnamesische Studierende nach Thüringen kommen und die demografischen Alten pflegen werden. Weil: Die Demografie in Thüringen wird sich auf absehbare Zeit nicht ändern lassen, gleich, wer welche Verantwortung innehat.

14. März 2024 | Sahra Wagenknecht im Steigerwaldstadion

Dreh in Erfurt, im Steigerwaldstadion. Einen Tag vor Gründung des Thüringer Landesverbands treffen sich hier Unterstützer des Bündnis Sarah Wagenknecht. Der Saal ist gut gefüllt, aus jedem Thüringer Landkreis sind Unterstützer da. Banner stehen, darauf Logo und Sprüche: »Wir sind das neue Thüringen«, »Klartext für Thüringen«. Alles mit entsprechender Größe, mit entsprechendem Willen, fünf bis dreißig Prozent der Wählerstimmen zu bekommen.

Zur Einstimmung Erinnerungen an 1989, Wahnsinn, haben wir damals gesagt, jetzt haben wir das wieder, diese Umbruchsstimmung. Gesagt wird mehrmals, dass man eine Partei am Anfang sei und trotzdem sofort liefern müsse, einen zweiten Versuch werden wir nicht haben, Fehler werden uns nicht zugestanden werden.

Zwei Mal wird Sahra Wagenknecht angekündigt, zwei Mal wird geklatscht und zwei Mal kommt sie nicht. Improvisiert, ruft einer, ein anderer, verarscht. Irgendwie ist das auch eine Metapher dafür, dass Enttäuschungen beim Bündnis nicht ausbleiben werden können.

Doch heute noch nicht. Heute ist Aufbruch. Beim dritten Mal kommt sie eher unvermittelt aus dem Nebenraum. Klatschen, Aufstehen, Standing Ovations, Handys im Fotomodus. Und das könnte ein weiteres Sinnbild sein, dass es erst so richtig losgehen kann, wenn die Namensgeberin auf der Bühne steht.

Sahra Wagenknecht spricht. Ihre Stimme sanft und hoffungssatt wie die eines Lifecoaches. Die Schwierigkeiten, die sie benennt, so eindeutig, dass man deswegen nicht in Rage geraten muss, weil Sahra ist jetzt ja da, sie versteht, dass so vieles schiefläuft und dieses Verstehen genügt schon fast, mehr muss nicht sein, man muss sich einig sein im Schieflaufen.

Fragen werden nach ihrer Rede gestellt. Neben dem Administrativen – Wie kriegen wir gute Leute? Wer darf in der Partei mitmachen? Wie ist das mit der Kommunalwahl? Was ist das Bündnis für Vernunft und Gerechtigkeit – ist vor allem, eigentlich hauptsächlich, Russland Thema: der Krieg, der Papst und dessen diplomatischer Vorstoß, Taurus, NATO, Rüstungsindustrie.

Einmal kommt eine Frage, die als kritisch zu verstehen ist. Wie wolle Sie, Sahra Wagenknecht, ganz konkret eine diplomatische Lösung erreichen? Zur Frage wird geklatscht und auch zur langen Antwort (so wie damals in Istanbul, der Wille ist ja da) und dann geht der Abend sehr schnell zu Ende. Über Soziales wird nur am Rande gesprochen, auch Kritik an Identitätspolitik findet kaum statt.

Was ist die große Idee, die die Unterstützer, die ja gewillt sind, sich einzubringen, die gezoomt und debattiert haben, die im Kommunalen Strukturen aufbauen wollen, was ist die Idee, die sie zusammenhält? Genügt eine Person, eine Projektionsfläche als Klammer, wie lange reicht das?

Vielleicht hat es heute reicht, dass man drei Mal klatscht und dann kommt eine Frau mit Vita auf die Bühne und erzählt davon, dass man keinen Krieg möchte. Vielleicht genügt das gerade, um überzeugt unterstützen zu können.

15. März 2024 | Mütter Courage

Wahl in Russland, Beamte müssen Screenshots ihrer Stimmzettel an Vorgesetzte schicken. Der ehemalige Präsident Medvedev twittert, dass für Russland Diplomatie die komplette Kapitulation Ukraine bedeute. An gestern denken, auch an das Gespräch im Anschluss an Sahra Wagenknechts Rede zum Ukrainekrieg, die darin aufgeworfene Frage, ob sie von ihren eigenen Ausführungen zur Diplomatie überzeugt ist und ob ein Ja oder Nein entlarvender wäre.

In der Werbung für den eigenen Europawahlkampf tritt Agnes Strack-Zimmermann als Oma Courage auf. Eventuelle Parallelen zu Mutter Courage sieht sie nicht, die Ambivalenz, die sich aus diesem Vorbild ergibt. Vielleicht ist es von ihr genauso gemeint, wie Brecht dachte.

16. März 2024 | Bücherschrank

Vom Bestreben gelesen, öffentliche Bücherschränke mit Martin Sellners Buch Remigration zu bestücken. Dieser freut sich über diese Aktionen: »Genial. Kann man nachmachen. Das Buch ist dank des Titels schon ein Signal.«

17. März 2024 | Blutbad

Trump sagt in einer Wahlkampfrede: »Wenn ich nicht gewählt werde, wird es ein Blutbad für das ganze Land geben.«

Seine Verteidiger verteidigen, dass dieses Wort »Blutbad« bezogen ist auf die Wirtschaft, ein amerikanisches Wort, verwendet in ökonomischem Zusammenhängen, typisch, was da schon wieder reingedeutet werde.

Dabei: Tyrannen immer wörtlich nehmen. Das Blutbad wörtlich nehmen, das Blutbad als Aufruf an seine Unterstützer verstehen, das Blutbad als Aussprechen der Zukunft zu verstehen.

In Russland gewinnt Putin die »Wahl« mit 87% der Stimmen.

18. März 2024 | vornehm

In einer Rezension über einen Essayband schreibt der Rezensent: »Die vornehmste Aufgabe des Intellektuellen ist die Kritik am Bestehenden.« Ich verstehe den Impuls. Es kann gar nicht anders sein: Immer oben kritisch beschauen, unten verteidigen. Aber gilt das uneingeschränkt, auch, wenn oben etwas verteidigt, das ich gut finde? Muss ich das Bestehende dann nicht auch verteidigen? Das ist ja etwas von dem, was sich diesen Einträgen vorwerfen lässt: Zu viel Kritik an dem, was das Bestehende in Frage stellt. Zu wenig Begeisterung für die Zersetzung.

19. März 2024 | Meldungen

Die CSU-Regierung in Bayern verbietet staatlichen Institutionen zu gendern, um mit diesem Verbot »Diskursräume in einer liberalen Gesellschaft offenzuhalten«. Laut einer Studie nimmt weltweit die Zahl von Demokratien weiter ab; 63, dagegen stehen 74 Autokratien. Die Stadt Potsdam erwirkt ein bundesweites Einreiseverbot für Martin Sellner.

20. März 2024 | Der Schlumpf als Zeichen

Seit mehreren Tagen wird ein Vorfall an einer Schule in Ribnitz-Damgarten, bei der die Polizei ein Mädchen wegen eines Schlumpfvideos aus dem Unterricht führte, in den einschlägigen Kanälen als Beleg für die Gesinnungsdiktatur in Deutschland genommen. Nach mehreren Tagen erklärt nun die Polizei, dass der Einsatz nicht in Verbindung mit diesem Schlumpfvideo steht, sondern wegen verschiedenen anderen Videos. In diesen Videos trägt das Mädchen einen Kapuzenpullover und zeigt Zahlen.

Es sind Codes, bei denen eine zweite Bedeutung über die erste gelegt ist. Helly Hansen ist eine Bekleidungsfirma und das HH zugleich Zeichen für »Heil Hitler«. 1161 ist eintausendeinhunderteinundsechzig und zugleich Zeichen für Anti-Anti Fascist Action. Die Schlümpfe sind dann eben nicht nur Zeichentrickfiguren, sondern auch Zeichen, die die Identitäre Bewegung als Symbole auf Bannern verwenden kann. Der Schlumpf ist in den Kanälen dann eben leicht verständliches, dadaistisches Zeichen dafür, dass der Staat vollkommen unverhältnismäßig agiert, alles vollkommen gaga geworden ist in seinem Meinungskorridorwahn. Der Schlumpf als Zeichen ist das, was hängen bleibt, nicht das, was die Polizei erst mehrere Tage später aufgrund einer »Kommunikationslücke« richtigstellt.

Ich würde gern nicht über dieses Wissen verfügen. Nicht wissen wollen, welches Zeichen der rosarote Panther war, nicht wissen, welches Zeichen Hawaiihemden noch sind, nicht wissen, welche Bedeutungen »Blutbad« alles haben könnte, gern die 8 wieder allein als Zeichen für Unendlichkeit nutzen können. Ich würde gern glauben können, es gäbe nur eine Zeichenebene, die banal ist, der Schlumpf wäre nur Schlumpf.

21. März 2024 | Spirale

Veranstaltung über das Thüringen-Projekt des Verfassungsblogs. Als hilfreich empfinde ich den Begriff populistisch-autoritär. Als hilfreich empfinde ich es auch, eine Stunde über Politik sprechen zu können, ohne emotionalisiert zu werden, ohne in diffuse Bereiche hinzugehen, sondern konkret zu bleiben.

Natürlich geht das nicht auf. Natürlich kommt prompt beim Zuschauerfragenblock das typische Diedaoben, Putin, ich lasse mir nicht vorschreiben, was, verbunden mit einem persönlichen Angriff auf die Rednerin und deren Alter. Sofort ist Hitze im Raum, alle Herzschlagraten verdoppeln sich. Die Wahrnehmung schaltet um von rational auf emotional. Aber gut: Sowohl Referentin als auch das Publikum beziehen umgehend Position, so klar, dass die Fragestellerin alsbald abzieht.

Auf dem Heimweg trotzdem die Unzufriedenheit über diesen Abend. Die Unzufriedenheit, dass es einen solchen Abend braucht. Dass das Thema »Abläufe parlamentarischer Verfahren« so komplex ist. Dass eigentlich jeder davon gehört haben sollte, bevor das Gespräch über Thüringer Politik weitergehen kann. Dass jeder die Definition von populistisch-autoritär gehört haben sollte, bevor ein Gespräch über die AfD weitergehen kann. Dass dies natürlich illusorisch ist.

Unzufrieden, weil es interessant gewesen wäre, mehr unterschiedliche Positionen zu hören. Unzufrieden, weil die beschimpfende Frau kein Interesse an einem Austausch hatte. Weil sie mehrere Themenfelder eröffnete und in keinem ein sinnvolles Dialogangebot gemacht hat. Weil sie zwar freiwillig ging, aber ging und sich das fälschlicherweise so anfühlte, als würden keine anderen Standpunkte gehört werden. Weil sie nun erzählen kann, es werden keine anderen Standpunkte gehört. Weil der Abend so ohne eigenes Verschulden das Gegenteil von dem erreicht, wie er wirken sollte. Ohne eigenes Verschulden in einer Spirale gefangen, die klingt wie der frühe Trent Reznor.

22. März 2024 | Überprüfung

Manchmal lese ich Nius, so, wie ich früher Fox News gelesen habe; mit hündischem Selbstekel, eine sinnlose Balance zwischen Auskundschaften, Fassungslosigkeit, Belustigung, Sorge, Interesse, welcher Spin auf die Gegenwart angewendet wird, lese als Politikwissenschaftler, Medienwissenschaftler, Narr.

Ich lese in Nius, dass eine Studie ergeben hat, dass 60% der Teilnehmenden der GegenRechts-Demos Grünenwähler sind, zusammen mit Linke und SPD sind es 87%. Schlussfolgerung: »Die Demonstrationen waren eigentlich Aufmärsche linker Bürger, die aber für sich in Ansprache nahmen, für die Mitte und „schweigende Mehrheit“ zu sprechen.«

Ich denke an die CDU-Leute, die sagten, wir sympathisieren mit der Idee der Demo, mitlaufen würden wir dennoch nicht. Und auch wenn ich um das Tendenziöse, das Kampagnenartige solcher Zuspitzungen weiß, weiß, welche Agenda Nius verfolgt, hinterfrage ich den Gedanken, der auch hier in den Einträgen tragend war; dass die Demos von einem großen Teil der Gesellschaft getragen sind. Was die Zahl aussagt; 4,4 Millionen auf der Straße, fast 80 Millionen nicht. Nur jede/r 20. demonstrierte. Und doch sind das die größten Demonstrationen der letzten 30 Jahre. Wie bemisst sich Zustimmung und Relevanz? Berichte in Medien? Interaktionen in sozialen Medien? Politische Folgen?

23. März 2024 | Fußballfragen

Seit vielen Tagen landesweit die Beschäftigung mit der Frage, ob eine deutsche Fußballnationalmannschaft ein pinkes Trikot tragen dürfe. Beckenbauer würde niemals pink tragen, in den Kanälen KI-erzeugte Bilder von Fußballern in Tütüs, rosa Trikots und Regenbogenfahnen etc. Seit einigen Tagen ebenfalls die Frage, ob eine deutsche Fußballnationalmannschaft mit dem Trikot eines amerikanischen Sportartikelhersteller auflaufen dürfe. Politiker aller Parteien überbieten sich mit Vaterlandsliebe. Zwei Beispiele für Kulturkampf und Patriotismus, deren einzige Antwort, deren Grund ist: Geld.

24. März 2024 | the zone with shit

Eine der Lektionen der vergangenen fünfzehn Jahre die Erkenntnis, dass autoritäre Kommunikationsstrategien nicht darauf abzielen, mehr Licht in die Wirklichkeit zu bringen. Sondern das Erzählen mehrerer möglicher Varianten, so dass das Eigentliche darunter begraben wird. Zynischerweise ist das gerade in Echtzeit bei den Anschlägen von Moskau zu beobachten. Wie versucht wird, die Ukraine als Auftraggeberin des Terrors zu belasten, kleine Knotenpunkte, an die sich Parallelerzählungen anknüpfen lassen, Zweifel, so dass eine Nachrichtensendung des ZDFs trotz Bekennerschreiben, Bekennervideo, Bodycamvideo sagen kann: Die wirklichen Täter wird man niemals sicher ermitteln können.

25. März 2024 | volksnah

In einem Gespräch die Frage danach, ob diese oder jene Partei »volksnah« sei. Ich weiche aus, habe nicht augenblicklich (und in Gesprächen muss man immer augenblicklich etwas zur Verfügung haben) eine Definition des Wortes »volksnah« parat. Später dann, klar, die offensichtliche Definition: In Bierzelten sitzen. Hände schütteln. In Regionaldialekten sprechen. Mit Wählern über Fußball reden.

Das eben, was sich so eingebürgert hat in der gesamtgesellschaftlichen / medialen Vorstellung als volksnah. Das Volk als Masse aus Bier und Fußball. Was würde ich sagen? Volksnah ist: Bürokratieabbau? Volksnah ist: Zu wissen, was das Leben vieler verbessern würde und dies umsetzen? Volksnah ist: Das Notwendige so erträglich wie möglich gestalten?

26. März 2024 | RKI-Files

Dieses jämmerliche Anliegen, anhand der sogenannten RKI-Files eine komplexe Zeit auf aus dem Kontext gerissene Zitate zu reduzieren. Natürlich braucht es eine Aufarbeitung der Coronajahre. Aber dieser durchschaubare Versuch einer Umdeutung ist bestenfalls die Wiederholung vergangener Muster.

27. März 2024 | Meldungen eines Tages

Welche Aufnahmen sind relevant? Wie setzt sich ein Bild dieser Tage zusammen? Zu schreiben, dass die Kindergrundsicherung, ein Projekt der Grünen, vor dem Scheitern steht, weil zuständige Ministerin von der Realisierung sichtlich überfordert scheint? Davon zu schreiben, dass die FDP dafür kämpft, Hundert Millionen für Flugtaxis zu verwenden (und beispielsweise nicht für Solarfirmen)? Zu schreiben, dass über einen russischen Verschwörungssender Honorare an AfD-Politiker geflossen sein sollen? Davon zu schreiben, dass Markus Söder Eltern auffordert, Lehrerinnen, die gendern, bei der Schulbehörde zu denunzieren melden?

Welche dieser Nachrichten eines Tages ist wichtig um zu verstehen, wohin dieses Jahr steuert?

28. März 2024 | Triggerpoints

Diskussion über das Buch »Triggerpunkte«. Als politisches Buch des vergangenen Jahres ausgezeichnet versucht es eine Art Gesamtanalyse der Kommunikation der deutschen Gegenwart. Die These: Die deutsche Gesellschaft ist bei Weitem nicht so polarisiert, wie allgemein angenommen hat. In vielen Fragen stimmen die meisten überein; allerdings gibt es sogenannte Triggerpunkte, an denen sich heftige Diskussionen entzünden.

Ein Buch, das geschrieben wurde, um eine bestimmte Funktion innerhalb des politischen Kontextes zu übernehmen. So habe ich das Buch auch gelesen: als Tool, um Gespräche und Streits einordnen zu können, zu verstehen, weshalb Themen so heftige Emotionen hervorrufen, andere nicht.

In unserer Diskussion wird das Buch sehr kritisch gesehen. Der Vorwurf von einem der Diskutanten die Frage, ob die Autoren bestehende (bürgerliche) Verhältnisse stützen, anstatt zu hinterfragen, warum sie nicht wenigstens ihre Sprechpositionen reflektieren.

Am Ende landen wir bei einem Grunddilemma dieser Zeit: zu wissen, dass vieles am bestehenden System dysfunktional und ungerecht ist und grundsätzlich anders gedacht werden müsste. Doch bei konsequenten Änderungsversuchen zugleich die Gefahr, dass autoritäre Kräfte Änderungen mit gänzlichen anderen Parametern umsetzen.

Inwieweit lässt sich das Bestehende zum Gerechteren ändern und inwieweit muss das Bestehende gestützt werden, um nicht vom Autoritäten gefällt zu werden? Vielleicht die zentrale Frage dieser Zeit.

29. März 2024 | Odin

Karfreitag. Erfurter Bahn. Bei Nohra steigt Odins Sohn ein. Sein halbes Gesicht mit Runen tätowiert. Ihre Bedeutung lassen keinen Zweifel. Er fährt zwei Stationen mit. Nichts passiert. Er sagt nichts, er steht nur. Odins Sohn, der Bahn fährt und zwei Stationen später mit seinem Cube-Fahrrad aussteigt.

29. März 2024 | Sprachpolizei

Die Staatskanzlei Hessen schreibt heute auf Instagram: »Das Genderverbot in Hessen ist ein klares Signal. Wir wollen keine Sprachpolizei.«

Es ist eine belanglose Notiz, ohne übergeordnete Wichtigkeit, etwas, das man maximal albern finden könnte.

Dennoch: Ich verstehe die hessische Staatskanzlei nicht. Dabei hätte die Staatskanzlei Hessen ja durchaus Argumente auf ihrer Seite. Sie könnte schreiben: Die Mehrheit will das generische Maskulinum. Oder: Der Duden hält verschiedene Schreibweisen für zulässig, wir als hessische Staatskanzlei wollen uns festlegen.

Stattdessen formuliert die Staatskanzlei Hessen diesen offensichtlichen Widerspruch, verbietet als Sprachpolizei Sprache, um Sprachpolizisten und Sprechverboten keinen Vorschub zu leisten.

Warum macht sie das? Ist es Denkfaulheit? Schludrigkeit? Böswilligkeit? Glaubt sie, was sie schreibt? Glaubt sie, den Adressaten des Posts entgeht die Widersprüchlichkeit? Ist es kognitive Dissonanz? Ist es, weil im Kulturkampf eh alles Wurst ist?

31. März 2024 | Ostermarsch

Was zu den Ostermärschen schreiben. Will ich eigentlich nicht. Dann mache ich in Weimar am Sockel von Carl Alexander dieses Foto. Und denke: Das würde ich gern in die Chronik tun.

Und damit nicht das Bild alleinsteht, denke ich, braucht es einen Text. Ich zögere etwas, bis ich schreibe vom Unbehagen, welches das Wort Ostermarsch in mir auslöst. Und vom Unbehagen über dieses Unbehagen.

Weil: Wie könnte ich etwas gegen einen Ostermarsch haben, auf dem für Frieden gelaufen wird? Wie könnte ich etwas gegen Frieden haben?

Das Unbehagen darüber, dass Frieden nicht mehr Frieden bedeutet. Dass Frieden, so wie es Orwell schrieb, Krieg bedeutet, zumindest erst Krieg, dann Frieden. Dass ich weiß, wie absurd das klingt und doch niemals auf einem Ostermarsch mitlaufen könnte, weil ich die Putinfahnenträgerinnen neben mir wüsste. Weil Frieden zu rufen etwas anders bedeutet als Frieden zu bekommen und das widersinnig ist und das weiterhin für mich so wäre, wenn es nicht den 24.2. gegeben hätte und dass Frieden ganz einfach ist (die Abwesenheit von Krieg) und Frieden 2024 nicht mehr bedeuten kann, einfach die Friedenstaube zu schwenken, die selbst ja zum doppelt belegten Symbol geworden ist.

Tags darauf lese ich, dass die Weimarer Initiative »Für Frieden und Solidarität mit der Ukraine« eine Intervention auf dem Theaterplatz vorgenommen hat und denke, dies wäre etwas, zu dem ich einen angemessenen Eintrag verfassen könnte.


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