Chronozentrismus


1. Februar 2025 | Apolda

In der Apoldaer Stadthalle löst sich heute die Junge Alternative auf. Zur Gegendemonstration kommen um die 1500. Es fühlt sich auch heute hier als der falsche Protest an, als wäre dazu alles gesagt, wo es doch notwendiger wäre, gegen das auf die Straße zu gehen, was sich die vergangenen Tage in JA-Stimmen gefunden hat, auszudrücken, was damit in Gang gesetzt ist.

2. Februar 2025 | Ukraine

Eigentlich über die zweite Woche USA schreiben wollen, dann nachmittags über den Theaterplatz laufen. Ein Klagelied hören, das mich, ohne die Worte zu verstehen, mit voller Wucht trifft, eine Flut von Schmerz, dunkle Stimmen.

Ein Stand der Initiative »Für Frieden und Solidarität mit der Ukraine« ist aufgebaut, davor 20-30 Menschen. Ein Redner begrüßt einen ukrainischen Soldaten, der momentan in einem Weimarer Krankenhaus behandelt wird. Der Redner erinnert an Mittwoch, einen Gedenktag, an dem einem früheren Krieg mit Russland gedacht wird. Spricht über die Rede des Holocaust-Überlebenden Roman Schwarzmann, der ebenfalls am Mittwoch im Bundestag sprach, kurz vor der Abstimmung CDUFDPAFD, zitiert, wie Roman Schwarzmann beschreibt, wie russische Flugkörper seine Wohnung zerstörten.

Eine ukrainische Kriegsjournalistin wird zugeschaltet. Sie dankt den Anwesenden dafür, dass diese jeden Sonntag ihre Zeit dafür aufwenden, zusammenzukommen, wie wichtig das sei, wie die Fotos in die Ukraine gehen. Einer der Anwesenden fragt nach Saporischschja, seiner Heimat, wie es um die Stadt steht. Die Journalistin berichtet, dass die russische Armee viele Männer schickt, die Verluste hoch sind, aber die russische Armee vorwärtsdringt, leider, übersetzt der Redner. Sie sagt, angesichts der Weltlage haben Informationen aus der Ukraine ein paar Minuten Zeit, Erinnerungsfetzen in meinem Kopf, ein Wohnblock beschossen, ein Schulgebäude, hundert unter den Trümmern, was ist diese Woche noch vorbeigerauscht?

Es ist eine leise Veranstaltung. Kein Schreien, keine geballten Fäuste, nicht mal Wut. Gehoben die Stimmen nur bei Slava ukraini. Trauer und Schmerz, tief eingegraben in diese Stunde in Weimar, Grieve. An diesem kalten, sonnigen Februarnachmittag ist der Krieg hier, das Grausame, das Reden von der Front und den Raketen am Sonntagsspaziergang neben dem Eis und den Familien.

Der Redner berichtet, für was die nächste Spendensumme genutzt werden soll – ein Gerät, das ukrainische Soldaten vor der Erkennung durch Infrarot schützt – und weist darauf hin, dass die Verwendung der Spendengelder eingesehen werden können. Anschließend wird die Europäische Hymne eingespielt, Freude schöner Götterfunken, danach die ukrainische Nationalhymne. Dann sammeln sich die Anwesenden vor dem Denkmal für ein Gruppenfoto, der Soldat auf Krücken steht in der Mitte, jemand baut vor ihm die blau-gelbe Fahne auf. Im Hintergrund das Transparent, das seit 2022 auf dem Balkon des Deutschen Nationaltheaters hängt: »Diplomatie! Frieden! Jetzt«.

3. Februar 2025 | Kategorien der zweiten Woche

Ziel der Einträge soll es eigentlich sein, festzuhalten, was geschieht. Eher stoisch als umfassend. Das fällt gerade schwer angesichts des rutschenden Nebeneinanders. Und auch klar, dass das Meiste viel zu weit weg, um ein adäquates Festhalten zu gewährleisten, dass es viel sinnvoller wäre, so wie gestern zu schreiben, über das Nahe, das Erlebte, etwas, bei dem ich anwesend bin. Aber so funktioniert eine politische Gesellschaft ja nicht nur, das lässt sich nicht durchhalten.

Deshalb der Versuch, die zweite Woche Trump in Kategorien zu verstehen. Unterteilt in eins: weitestgehend Kulturkampfthemen: Verbot der Verwendung von Pronomen in staatlichen Mails, Festschreibung der Geschlechter, Verweigerung von Pässen für Transpersonen, Anweisung zu »patriotischen Bildungsprinzipien«, das Abschalten verschiedener Regierungswebseiten etc., lauter Themen, bei denen es auffällt, dass die deutschen Meinungsmacher, die ansonsten im Wochentakt Pieces zur Begrenzung der Meinungsfreiheit durch woke Universities schrieben, wenig zu schreiben haben.

Kategorie: dystopisch, wie ein Schwarzenegger-SF-Film aus den 80ern; das Abschieben, das filmische Begleiten und Inszenieren dieser Abschiebungen, das Präsentieren der besonders bösen Abgeschobenen in einer Art Online-Pranger, die Reels, in denen über die Abschiebungen gesprochen wird, aber nicht akustisch, weil die Algorithmen das rausfiltern würden, sondern durch das Hochhalten von beschriebenen Zetteln.

Kategorie: Wirtschaft: die Handelszölle, die Verteuerungen, das Gegenteil dessen, was versprochen war, das Einstellen von Zahlungen und damit staatlichen Leistungen, auch medizinischer Unterstützung, was ganz konkret Todesfälle zur Folge hat.

Und schließlich: der Austausch von Kontrollinstanzen, Entlassen von Staatsanwälten, Beamten in Bundesbehörden. Musks DOGE, der Zugriff erhält auf quasi alle relevanten Daten, die der Staat von seinen Bürgern haben kann, das Runterladen dieser Daten.

Expertinnen und Experten fassen das als ein Coup zusammen, eine Übernahme des Staats. Dafür, dass dies passiert, dafür, was ansonsten oft für die große Aufmerksamkeit sorgt, geschieht diese Übernahme erstaunlich geräuschlos und unbeteiligt.

3. Februar 2025 | Bart

Was sich heute so zugetragen hat: Vor dem ehemaligen Marstall in Weimar, der heutigen Gedenkstätte für Zermahlene Geschichte, läuft ein Mann. Das Haar an den Seiten rasiert, der Bart weitestgehend rasiert, nur unterhalb der Nase steht ein strammer, schwarzer Balken, deutlich, an wen damit gedacht sein soll. Hinter dem Imitator läuft eine Frau. Beim Vorbeigehen sagt er zu ihr: »Wenn erstmal alle die NSDAP wählen…«, der Rest des Satzes verliert sich im Februarvormittag.

4. Februar 2025 | Hutschnur, geplatzt

Chroniken schildern weiterhin die Etappen, mit denen es zur Abstimmung kam und was danach geschah. Am Anfang steht die »Hutschnur«, die Friedrich Merz »geplatzt« sei, als er von der Aschaffenburg hörte, die Geschichte, wie er »emotional äußerst angefasst« war, als Vater, als Großvater.

Mir geht es nicht darum, diese Reaktion in irgendeiner Weise zu missdeuten. Im Gegenteil. Ich kenne niemanden, den die Tat kalt gelassen hat, niemanden, der nicht auch erschüttert und betroffen war. Der Ausdruck »Hutschnur geplatzt« ist die Formulierung, mit der operiert wird, um darzustellen, dass bei Erschütterung etwas übergelaufen ist, soll Ausdruck sein für den Beginn eines Agierens.

Eine solche Geschichte findet sich bei vielen Entscheidungsträgerinnen. Bei Angela Merkel Fukushima, bei Gerhard Schröder die Agenda 2010, bei Helmut Kohl die Einheit – Entscheidungen, die auch aus der Emotion heraus getroffen wurden, die damit besondere Dringlichkeit und Authentizität bedeuten. Nicht der Kopf, sondern das Herz als Ursprung einer politischen Handlung.

Ich frage mich, wann die Hutschnur platzt und wann nicht. Mehrere Kinder sind in den vergangenen Tagen bei Unfällen im Straßenverkehr gestorben, mehrere Frauen bei Femiziden getötet, die Prognose von zehntausenden Toten durch die höheren Temperaturen im Januar. Alles Anlässe zum Platzen, alles Anlässe, Fühlen als Grund für eine politische Handlung zu nehmen. Und wieder geht es mir nicht darum, Tragödien gegeneinander auszuspielen oder zu relativieren. Vielmehr ist es der hilflose Versuch zu verstehen, wann etwas platzt.

Auch Mehrheiten werden ins Spiel gebracht. Eine Mehrheit ist für eine andere Migrationspolitik. Die Frage soll nicht sein, was anders heißt oder die nach der Wirksamkeit der Maßnahmen oder danach, was nicht zu den 5 Punkten gehörte, sondern: Welche Mehrheit im Volk lässt die Hutschnur platzen. Eine Mehrheit möchte eine andere Migrationspolitik. Eine Mehrheit möchte Maßnahmen gegen den Klimawandel. Eine Mehrheit möchte ein Tempolimit, das viele Tote im Jahr verhindern würde. Selbst für eine geringere Schere zwischen Arm und Überreich existiert eine Mehrheit. Welche Mehrheit lässt die Hutschnur platzen.

Angeführt wird auch, dass sich keine Mehrheiten auf den Demonstrationen finden, nur 200.000 in Berlin, nur 700-800 Tausend in den letzten Tagen, nicht mal jede Hundertste auf der Straße. Welche Demonstration bringt die Mehrheit der Deutschen auf die Straße, 42 Millionen mit Transparenten. Welchen Demonstrationen werden welche Aufmerksamkeiten geschenkt, welcher Gang auf die Straße macht es notwendig, ernst genommen zu nehmen, wobei platzen Hutschnüre?

Wo sie platzen: bei Caren Miosga. Die fragt Alice Weidel, Frau Weidel was für ein Deutschland hätten Sie denn gern und Frau Weidel rollt mit den Augen bei der Frage nach dem Holocaust-Gedenktag, weil die »Holocaust-Anheftung« an die AfD finde sie »nervtötend«, da platzt ihr die Hutschnur.

5. Februar 2025 | kleine Bausteine großes Bild

Eine kleine Gruppe junger Männer erhält im Namen Elon Musks Zugang zu den Daten, die der amerikanische Staat von seinen Bürgerinnen besitzt. Die jungen Männer laden diese Daten runter, schreiben neuen Code, bauen KI ein, verfügen so bald über die Möglichkeit, Zahlungen, die der Staat tätigt, zu kontrollieren. Schlagwortlisten werden angelegt, mit deren Hilfe die Förderung von wissenschaftlichen Studien gestoppt wird. Amerikanische Institutionen wie NASA werden angewiesen, alle Informationen zu ändern und zu löschen, die speziell Frauen, Diverse, Indigene ansprechen. Donald Trump kündigt die Besetzung des Gaza-Streifens durch amerikanische Soldaten an, eine palästinenserfreie Zone soll entstehen, »die Riviera des Nahen Ostens«. Die USA treten aus dem UNO-Menschenrechtsrat aus.

Nachdem das Präsidium des Zentralkomitees der deutschen Katholiken die aktuelle Migrationspolitik der CDU kritisiert hat, beendet Annegret Kramp-Karrenbauer ihre Mitgliedschaft dort. Julia Klöckner beklagt ein »hemmungsloses Aufhetzen« gegen die CDU. Beatrix von Storch spricht in der zweiten Talkshow, zu der sie innerhalb weniger Tage eingeladen ist, von zwei Gruppenvergewaltigungen täglich durch Asylbewerber. Alice Weidel spricht von tausend Mitgliedern, die der Verein »Juden in der AfD« habe, Recherchen ergeben, es sind 22. Recherchen ergeben, dass die den Grünen zugeschriebene Beschädigung hunderter Autos durch Bauschaum auf das Konto russischer Auftraggeber geht. Laut dem aktuellen RTL/ntv-Trendbarometer ist für die Befragten das wichtigste Wahlkampfthema »Schutz der Demokratie/ Bekämpfung des Rechtsextremismus (62 %)«, auf Platz 5 liegt »Zuwanderung/Geflüchtete (36 %)«.

Heute gelesen: »Meinem Gefühl nach sind Medien oft schlecht darin, sich entwickelnde Ereignisse angemessen zu greifen. Wenn zahlreiche kleine Bausteine ein großes Bild ergeben, wird das unmittelbar oft verpasst.«

6. Februar 2025 | außer Kraft

Zugfahrt durchs AfD-Direktkandidatenland. Keinerlei politische Begegnungen außer vor einer Fleischerei in Gößnitz. Fotografiert und einen Weg lang überlegt, warum sich das auf einer Tafel Notierte – »Schaut genau hin, hört auf euer „Ich“. Es geschieht gerade so viel um uns herum, das unser Hinterfragen, Beobachtungen und Denken außer Kraft setzt« – in diesen Tagen so gut wie jede/r für das Sprechen über die eigene Wahrnehmung beanspruchen könnte. Dann abgehakt und an diesem grauen, nassen Februartag an dieses Video und diesen Artikel gedacht und wie wichtig es ist, sich nicht überwältigen zu lassen, dass es ein Zuviel an Information gibt und beschlossen, es dabei zu belassen, mich erst mal raus zu nehmen aus dem ständigen Doomloop der neusten Umfrage, Reaktion darauf, Massenvergewaltigungsfaktencheck, Wahl-o-Mat-Thesenabfrage, TikTok-Politikerinnen-Charts, amerikanische Putschnews, Einzeltäterticker, Schwedenamoklauf, All-in-Metaphern.

7. Februar 2025 | Casten

Die Meldung, dass dieser Januar der wärmste, je gemessene war, 1,75°+. Faktencheck des Tages: Hat das ZDF für eine Wahlsendung linke Studenten gecastet?

8. Februar 2025 | Cash

Faktencheck des Tages: Sind die 250.000 Teilnehmerinnen der Demonstration in München vom Staat bezahlte Kollaborateure?

9. Februar 2025 | Abmoderiert

Kanzlerduell, das Format passt für die beiden Kandidaten. Das Format fällt aus der Zeit. Heute den Satz gehört, dass Rituale dabei helfen, sich nicht entscheiden zu müssen. Eine Viertelstunde Thema Abschiebungen, einmal die Frage, ob die Kandidaten Windräder ästhetisch finden.

10. Februar 2025 | die Zeit

Montag jetzt auch die Zeit, in der ich angespannt darauf warte, welche Themen die Trump-Regierung für die kommende Woche setzen wird. Diesmal: das Aufkündigen der Gewaltenteilung, das Ignorieren von Gerichtsurteilen, oder wie der Vizepräsident schreibt: »Judges aren’t allowed to control the executive’s legitimate power.« Jeder Tag jetzt auch die Zeit für eine Duellrunde. In der Konstellation Wer schafft es in den Bundestag? sagt Dorothee Bär ehrlich überrascht: »Ich dachte eigentlich, dass die Zeiten von Klassenkampf vorbei sind.«

11. Februar 2025 | Rotweißblauland

Der republikanische Abgeordnete Earl L. “Buddy” Carter bringt einen Gesetzesentwurf ein, der vorschlägt, Grönland nach der Übernahme durch die USA in Red, White, and Blueland umzubenennen: »…we will proudly welcome its people to join the freest nation to ever exist when our Negotiator-in-Chief inks this monumental deal.«

12. Februar 2025 | Aufzählungen

In Österreich gibt der designierte Volkskanzler den Regierungsauftrag zurück. Die amerikanische Regierung schließt Journalistinnen und Presseorganisationen, die in ihren Veröffentlichungen nicht die Bezeichnung »Golf von Amerika« verwenden, vom Zugang zum Weißen Haus aus. Google (Don`t be evil) streicht aus dem Google-Kalender die Erwähnung verschiedener Feiertage wie den Holocaust Remembrance Day, Black History Month, Pride Month, Jewish American Heritage Month. Der Staatssekretär im US-Außenministerium fordert Massensterilisation für Menschen mit niedrigem IQ (»low-IQ Trash«). Der SAVE-Act wird von den Republikanern wieder als Gesetzesentwurf eingebracht. Dieser verweigert allen Amerikanerinnen, deren Geburtsname nicht mit dem aktuellen Namen im Pass übereinstimmt, die Wahlberechtigung, was auf die Mehrheit der verheirateten Frauen zutrifft. Der amerikanische Verteidigungsminister erklärt, dass die Ukraine nicht zu den Grenzen von 2014 zurückkehren könne. Der amerikanische Präsident erklärt die Ukraine zum Verursacher des russischen Angriffskriegs (»I think they have to make peace. That was not a good war to go into«), bedankt sich nach einem Telefonat mit Putin für »his time and effort with respect to this call« und erklärt, dass in Kürze Verhandlungen beginnen werden, der ukrainische Präsident wird darüber informiert werden. Ein Friedensvertrag sollte in München unterzeichnet werden. Gestern las ich den Satz: »There is no peace with Putin, just a pause.«

13. Februar 2025 | München

Das ist das Fatale an diesem deutschen Winterwahlkampf: Die Welt fällt auseinander und ordnet sich in rasender Geschwindigkeit neu und das Thema hier ist: Hofnarr.

Hatte ich am Vormittag geschrieben und gedacht als heutigen Eintrag. Dann fuhr ein Mann mit afghanischer Herkunft in München in einem Zug von Demonstrierenden und verletzte dreißig Menschen.

Und jetzt ist das Thema das von Aschaffenburg, das von Magdeburg. Und wieder ist die Frage nach der Verhältnismäßigkeit, nach dem Fokus, der Gewichtung von Entwicklungen. Die Frage, wie man das geregelt kriegt. Wie ich diese zügellose Gegenwart für mich austariere.

Auf der einen Seite ein furchtbares Verbrechen, das mich ohne Umwege emotional trifft – ein Auto fährt in Menschenkörper, mit der Absicht, diese zu töten, Kinder, Frauen, Männer, mitleidlos, kalt, willkürlich. Ich bekomme eine unmittelbare Reaktion, ich spüre direkt, dass hier etwas Schlimmes passiert ist, ich verspüre Mitleid mit den Opfern, ich verspüre den Wunsch, dass ihnen Gerechtigkeit geschieht, dass der Täter zur Rechenschaft gezogen wird, dass alles unternommen wird, damit sich ein solcher Vorfall nicht wiederholt.

Das sind meine unmittelbaren Gefühle. Daraus folgen Gedanken, die auch auf Erfahrungswerte zurückgreifen. Je nach Weltsicht versuche ich, unterschiedliche Zusammenhänge zeitnaher ähnlicher Ereignisse zu sehen: In Magdeburg war es zwar jemand aus Saudi-Arabien, aber ein Auto, in Aschaffenburg zwar ein Messer, aber jemand aus Afghanistan, jedenfalls beide mit migrantischem Hintergrund. Ich schließe daraus, wenn sie nicht hier gewesen wären, wäre das nie passiert. Ein Zusammenhang könnte sein: Über die Täter von Magdeburg und Aschaffenburg gab es in beiden Fällen zahlreiche Hinweise, offene Verfahren, Informationen letztlich, die von verschiedenen Institutionen nicht genutzt wurden, um einzugreifen. Wie ist das mit München? 

Noch immer sind diese Überlegungen konkret. Eine Tat, ein Täter. Wie das mit dem Telefonat gestern, in dem Trump und Putin den Krieg und die Nachkriegsordnung ohne Beteiligung der Ukraine besiegelten? Was bedeutet es, wenn die Ukraine ein Viertel ihres Landes verliert? Was bedeutet es, wenn deutsche Soldaten an der Grenze zwischen Russland und der Ukraine stehen werden? Was bedeutet es, wenn die USA sich zukünftig aus europäischen Angelegenheiten herausnehmen? Was bedeutet eigentlich diese neue Weltordnung für Deutschland, in der es keine billige Energie mehr aus Russland gibt, in China so viel weniger auf deutsche Exporte angewiesen ist und keine USA mehr diese Deals mit ihrer Armee absichert? Was bedeutet »Frieden« mit Russland für die baltischen Staaten, für Moldawien, für Polen?

Das ist abstrakt, das ist global, das ist etwas, das nur schwer unmittelbar zu fühlen ist. Dabei ist es bedeutsam. Es wird Millionen Menschen in der Ukraine betreffen, Millionen Menschen in Osteuropa, damit auch die Menschen in Deutschland, es wird die Wege in den nächsten Jahren bestimmen, neue Auseinandersetzungen werden daraus erwachsen. Was ich fühle, ist etwas, das in der Zukunft gelagert ist, eine dunkle Ahnung, eine Vorhersage, die ich nicht belegen kann, weil es noch nicht geschehen ist. Aber in München ist jemand in dreißig Menschenkörper gefahren, ein Verbrechen, das ich belegen kann, weil es gerade geschehen ist, etwas, das ich fühlen kann.

14. Februar 2025 | The threat that I worry that most

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz sagt der US-Vizepräsident: »The threat that I worry that most about vis a vis Europe is not Russia, it’s not China, it’s not any other external actor. What I worry about is the threat from within.« und fordert eine Zusammenarbeit / Regierungsbeteiligung mit rechtsextremen Parteien. Weil für eine autoritäre USA nicht andere autoritäre Staaten die größere Bedrohung sind, sondern ein nichtautoritäres Europa.

15. Februar 2025 | viel wenig

Gerade so viele kluge Texte zu den aktuellen Situationen, so viele Analysen, Überlegungen, Vorschläge, Erkenntnisse, so viel zu verstehen und zu erfahren, meistens breche ich matt und überwältigt nach dem ersten Absatz ab. Vielleicht, weil dieses Wissen da ist, weil es zuvor schon da war, weil die Abläufe im Grunde nicht überraschen, weil offenliegt, was geschieht und weil deshalb neben dem Verstehen auch das Gefühl einer Ohnmacht ist, die offene Frage, weshalb dieses Verstehen, diese Warnungen sich nicht in den Weg stellen können, das Wissen sich so wenig dagegenstemmen kann. Und ja, es gibt auch die Texte, die Zuversicht verbreiten, den Bruch als Chance begreifen. Aber das vorherrschenden Gefühl heute ist Verlassensein.

16. Februar 2025 | Quadrell

Viererrunde eine Woche vor der Wahl. Händeschütteln mit der 20%-Allesice-für-Deutschland, der Bierdeckel von Merz, Habecks wertiger Rollkragenpullover, nach der »Der Abkanzler«-Titelgeschichte im SPIEGEL »angriffslustige« Olaf Scholz, der beliebteste Deutsche Günter Jauch als Moderator – das Quadrell. Beim Schauen wieder zwei naive Phantasien: das Quadrell als Aufzeichnung, so dass bei Ausstrahlung die faktengechekten Informationen eingeblendet werden können. Und auch, dass drei ihre Instrumente fallen lassen und zusammenkommen würden, sagen würden: Dies ist die erste Wahl in einer neuen Weltordnung, vergiss dieses Schaulaufen, das Streiten um 0,x Prozente, diese Sportberichtserstattung, hier geht es um so viel mehr, lass uns das klar sagen. Oder, vielleicht drittens, ein Quadrell, in dem von zwei Stunden Sendezeit eine Minute für Klima verwendet werden würde.

17. Februar 2025 | ausspucken

Wahlduell, Wahlarena, 360°, wie haben sich die Kandidaten geschlagen, woher stammen die Zuschauer, die USA verhandelt mit Russland in Saudi-Arabien, Europa trifft sich in Paris, Liveübertragungen der Abschiebeflüge nach Afghanistan, die Linke ist die mit Abstand beliebteste Partei bei den Unter-18-Jährigen, in welchem Wahlduell, Wahlarena, 360° ist Heidi Reichinnek aufgetreten, Bruchlandung in Kanada, ein Buckelwal verschluckt einen Kajakfahrer und spuckt ihn wieder aus, in Washington werden die Millionärsvillen knapp, die Washington Post druckt keine elonmuskkritische Reklame, die FDP schlägt vor, hundert Behörden zu schließen, Alice Weidel wünscht Robert Habeck »Viel Glück«, das Weiße Haus postet auf rosafarbenen Hintergrund zum Valentinstag ROSES ARE RED VIOLETS ARE BLUE COME HERE ILLEGALLY AND WE´LL DEPORT YOU.

18. Februar 2025 | Der Faktencheck als Ausflucht

Zugfahrt mit Blick auf von Eis durchstochene Februarfelder. Seltsam, nur einmal ging die Sonne unter. Podcast hören, der die Chronologie des Heizungsgesetzes von 2023 rekonstruiert. Text über die gegenwärtigen Verkehrungen ins Gegenteil lesen, wie der amerikanische VP fehlende Meinungsfreiheit in Europa anprangert, während in seinem Land von seiner Herde Bücher verbannt und Forschungsgelder eingefroren werden wegen falschen Schlagwörtern etc. und die Frage, warum diese offensichtlichen Lügen (nein, mehr als Lügen, vollständiges Umdrehen) verfangen, in den abendlichen Diskussionsrunden mit aller Lanzernsthaft diskutiert werden, dieses Narrativ. Oder tagesaktuell Donald Trump, der umkehrt, dass die Ukraine den Krieg gar nicht erst hätte beginnen sollen.

An die Wahlarena von Montag denken. Alice Weidel erklärt, wie ihre Partei die »kleinen Leute« entlasten werde und die Moderatorin einhakt und sich auf mehrere Studien beruft, die anhand des Wahlprogramms genau das Gegenteil dieser Behauptung errechnet haben
und Alice Weidel sagt, Nö, stimmt nicht
und Moderatorin sagt, Stimmt doch,
und Alice Weidel sagt, Nö,
und Moderatorin sagt, Na, dann schauen wir eben morgen mal in den Faktencheck.

Der Faktencheck als Entschuldigung, als etwas, das einen Konflikt befrieden soll, indem es den Konflikt ins Nirgendwo verschiebt. Anstatt als Moderatorin die Letzte zu sein, die sagt:
Stimmt nicht, Sie lügen,
oder besser, einfach die Zahlen der Studien einblenden, direkt live einblenden die Studien und das Durchrechnen der Wahlprogramme, den Konflikt aushalten, ihn zu Ende bringen, dagegenhalten, nicht vermitteln wollen, weil: die Zahlen geben es ja her.

Und da denke ich, wie wenig man doch ausgehalten und dagegenhalten hat in den vergangenen Jahren in derlei Gesprächssituationen, wie sehr man doch um Ausgleich bemüht war, um Verständnis, um Differenzierung, weil ein-Körnchen-Realität-könnte-ja-doch-dran-sein und hat dafür gleich mal die eigene Position geopfert, was Ziel der Verkehrer ist, weil ihnen vollkommen gleich ist, was Ausgleich bedeuten könnte. Weniger weich sein, weniger Ausgleich, weniger ausgelagerter Faktencheck. Stattdessen aushalten, dagegenhalten, weil: Die Realität gibt’s ja her.

19. Februar 2025 | ASMR

ASMR meint Geräusche, die beim Hören eine angenehme Art von Kribbeln hervorrufen. Das Weiße Haus teilt ein Video unter dem Titel „ASMR“. Darin wird eine Abschiebung gezeigt, Menschen auf einem Flughafen, Handschellen schleifen über den Boden, ein Rasseln von Ketten, das Zuschnappen von Schlössern, das Setzen von gefesselten Füßen auf die Gangway, ein Weiden am Leiden Anderer, ein Ausstellen der eigenen Lust und Behaglichkeit am Zynismus, Niedertracht als offizielle Haltung, LTI als Bildsprache. Link: x [punkt] com/WhiteHouse/status/1891922058415603980

20. Februar 2025 | Gute Nachrichten

Die Wahrscheinlichkeit, dass Asteroid 2024 YR4 im Jahr 2032 auf der Erde einschlägt, wird von 3.1 auf 1.4 herabgestuft.

21. Februar 2025 | J6 Prison Choir

Steve Bannon zeigt während einer Rede vor Republikanern den Hitlergruß das Musk-Salut und fordert Donald Trumps Präsidentschaft auf Lebenszeit. Donald Trump lässt sich vom Weißen Haus als König ausrufen und spricht über eine dritte Amtszeit. Elon Musk überreicht Javier Milei auf der Bühne eine Kettensäge und plant, die ISS abzuschaffen, um mit den Geldern den Mars zu besiedeln. Die Republikaner wählen einen QAnon-Mann, der Feindeslisten angelegt hat – Verschwörer, die er zur Strecke bringen will – zum Chef des FBI. Nachdem sich Donald Trump zum Chef des John F. Kennedy Center for the Performing Arts gemacht hat, wird dort in Kürze der J6 Prison Choir, der aus Männern besteht, die wegen ihrer Beteiligung am Angriff auf das Kapitol am 6. Januar inhaftiert waren, »in honor of their families« singen.

22. Februar 2025 | Sieben Wochen Abschiednehmen

Sieben Wochen das Jahr 2025, vier Wochen Trumpregierung, der Tag vor der Wahl, Wahlkämpfe, Wahlkampfarenen, hier in den Einträgen mehrmals nur Aufzählungen des Überschlagens. Außerhalb der Chronik viele Gespräche über die Geschehnisse dieser Wochen, mehrheitlich Bestürzung & Fassungslosigkeit. Aber auch die Gedankenaustäusche mit denen, die interessiert sind an der Welt und deren Meinung ich schätze und die vieles anders einordnen; für die die Demonstrationen im Nachgang der CDU/AfD-Abstimmung das eigentliche Gewalttätige waren, die in den Protesten das Undemokratische sehen, für die der Einsatz der KI durch DOGE ein origineller Lösungsansatz zur Bekämpfung von Bürokratie und Korruption sind, die Zerschlagung von USAID ein längst notwendiger Schritt, die Verhandlungen USA-Russland ein wichtiger Schritt hin zum Frieden sind, die Disruption ein Befreiungsschlag etc.

Es sind nicht immer komplett gegensätzliche Meinungen. Aber die Bewertung findet aus einer Perspektive statt, die mir fremd ist, bei der ich fast staunend danebenstehe und zuhöre, weil ich verstehen will, wie das Erzählen der Realität auch geht, wie man anhand ähnlicher Ausgangspunkte zu so unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann.

Dieses Verstehen finde ich wichtig. Es ist offensichtlich, dass in diesen sieben ersten Wochen etwas mit so unglaublicher Beschleunigung in Gang gesetzt wurde, das für ein Davor und Danach sorgen wird, das Danach rendert sich die Realität gerade zurecht. Was mich ebenfalls erstaunt, wie schnell sich der Bewertungsmaßstab von Normen, Gesten und Handlung verschiebt. Hitlergruß, sich zum König erklären, Gewaltenteilung ignorieren, Zensur, Putinsprech als Staatssprache, Frauenwahlrecht in Frage stellen, staatstragende Kooperationen mit Rechtsextremen, Hitler=links – lauter Ungeheuerlichkeiten, lauter Umkehrungen. Jedes einzelne dieser Geschehnisse hätte vor einiger Zeit noch Implosion und Sackgasse bedeutet. Heute werden diese Brüche weggebreaknewst und dienen den Gemäßigten als Narrativ, um rational über die Gegenwart zu diskutieren.

Es ist offensichtlich, es ist so eindeutig, wohin die Zeit geht, möchte ich jeden Tag schreien und dann gibt es die Gespräche, in denen meinem Schreien mit ruhiger Stimme begegnet wird. Und dann ist da eine Art Abschiedsschmerz, der mit dem morgigen Tag verbunden ist, ein Abschied von Gewissheiten, von demokratischen Selbstverständlichkeiten, letztlich einer Epoche. Zu ahnen, dass, egal, wer die Regierung bilden wird, in einer veränderten Welt durchkommen muss, einer Welt, die nach anderen Regeln gestaltet wird und ich hoffe, dass jene das zumindest ahnen, das ernstnehmen und eine Idee besitzen, wie sie sich darin verhalten. Edit: Die Formulierung dieser Hoffnung ein Relikt der alten Zeit.

23. Februar 2025 | das Verschwinden jeglicher Erleichterung

Nach der gestrigen Rede des künftigen Kanzlers früh noch mal in den Faktenchecks nachlesen, wer nach der Ermordung Walter Lübckes auf die Straße gegangen ist. Wessen Tassen im Schrank sind. Im Sonnenschein zum Wahllokal, eine Schule. Großes Kommen und Gehen. Die Anzahl der Parteien auf dem Wahlzettel erstaunlich klein, an Sonstigen besteht gerade nicht viel Bedarf. In Weimar noch eine zweite Abstimmung, ein Bürgerentscheid über die »Ostumfahrung«, der Bau einer Straße durch einen Wald. Den Nachmittag in zunehmender Angespanntheit verbringen. Im Kopf Zahlen durchgehen, welche Prozente wären für welche Partei Erfolg oder Misserfolg. 18.00 Uhr, die Balken, ein unerwartetes Gefühl geringfügiger Erleichterung. Das sich einfräst, anpasst an die Situation, real umgeht mit der Gegenwart. Den Umständen entsprechend, trotz des Narrativs, der x Interventionen – glimpflich?

Im Folgenden das Starren auf die Kommastellen hinter den beiden Vieren. Nach der offenen Feldschlacht das Ausscheiden prominenter Politiker, Rambo-Zambo Friedrich Merz’, das Augenrollen Habecks, die Freude der Silberlocken, das Kneifen Wagenknechts. Später das Schauen in die Zahlen Sachsens und Thüringens, die blaue Wand. Hier bei uns gibt es noch eine Volkspartei, zum Teil mit alleiniger Mehrheit, wenn man so will die Zukunft der gesamtdeutschen CDU. In dieser Deutlichkeit stellt sich ein jähes Verschwinden jeglicher Erleichterung ein. Hier lebe ich, im nicht so glimpflichen Teil Deutschlands.

24. Februar 2025 | Chronozentrismus

Heute vor fünf Jahren begann ich mit dem Schreiben der Coronamonate (in der Annahme, es wären Monate), heute vor drei Jahren beendete ich das tägliche Schreiben über die Pandemie. Der russische Angriff an diesem Tag beendete nichts, aber pflockte etwas Entscheidendes in die Gegenwart. Einige Monate versuchte ich auch dabei, täglich mich am Schreiben festzuhalten. Letztens las ich diese Einträge wieder. Im Rückblick erscheinen sie mir zum Teil äußerst naiv und sind in der Beschreibung an einigen Tagen nur schwer zu ertragen. Im letzten Jahr ein neuerlicher täglicher Schreibversuch, nicht, weil etwas geschehen war, sondern ich annahm, etwas würde geschehen. Anfang dieses Jahres die Entscheidung, weiter zu notieren, aufzählender, weniger erlebend. Und so ist der 24.2. eines jeden Jahres auch ein Eintrag, der über Einträge sinniert und sich an den Hergang diesen ich-zentrierten Chronologie erinnert.

Cronozentrismus meint den Gedanken, dass eine bestimmte Gegenwart vergangenen oder zukünftigen Zeiten überlegen wäre, dass sie etwas Außergewöhnliches in sich trage, etwas, dass sie auf besondere Weise unterscheide. Das ist natürlich auch Quatsch, über so viele Zeiten ließe sich das behaupten. Und zugleich ist es meine Gegenwart und darin bin ich mein Zentrum. Wie sonst ließe sich der Anspruch erheben, etwas zu schreiben. Die These, was ich von dieser Gegenwart halte, steht in der Überschrift, sie soll widerlegt werden.

Was schreibe ich denn über diese Gegenwart, was von dem Vielen greife ich heraus? Dass die USA von der Ukraine fordern, auf 500 Jahre alle Bodenschätze den USA zu überlassen und im Gegensatz bekommt die Ukraine 2/3 ihres Landes, zumindest einen Wimpernschlag in der Geschichte lang, bis die 2/3 wieder zu Disposition stehen im Sinne des Angreifers und Starken. Der beste Deal. Das ist die große, banale Erzählung über diese Tage, über diese Weltordnung, Sinnbild dieser Gegenwart, drei Jahre später.

25. Februar 2025 | Genugtuung

Eines der vielen, damit auch widersprüchlichen Gefühle in den vergangenen Tagen war das der Genugtuung. Ich suchte nicht aktiv danach, im Grunde wollte ich nicht empfinden, ich versuchte, die Genugtuung von mir fern zu halten und wäre dieser Eintrag nicht und damit auch die selbstauferlegte Notwendigkeit, einigermaßen solide festzuhalten, wie ich in Bezug auf die Geschehnisse fühle, dann wäre die Genugtuung, diese hochnäsige, selbstgerechte Empfindung längst versumpft. Aber da waren Teile in meiner Wahrnehmung, Tropfen im Wasser, welche die Farbe des Wassers mitbestimmten.

Genugtuung. Dieses blasierte Rechtbehalten, dieses herablassende Wir-hams-ja-gesagt, oft nur partiell gerichtet auf jene Dinge, die einigermaßen so eintraten, wie man das in einem Moment der Vergangenheit erwartete. Ich fühlte, dann sträubte ich, dann zählte ich zusammen. Ich kam auf: Die Warnungen im November, dass ein zu früher Wahltermin dazu führen könne, dass nicht ausreichend Zeit bliebe zur Organisation und deshalb nicht alle ihre Stimme abgeben können, beispielsweise die Auslandsstimmen. Ich kam auf: Der Plan von der offenen Feldschlacht, dem FDP-D-Day und die dadurch beschleunigte aktuelle Bedeutungslosigkeit der Partei. Die Entscheidung des baldigen Kanzlers, für eine symbolische Abstimmung gemeinsam Hand in Hand mit der AfD zu gehen, die selbstbewusste strategische Annahme, damit der zweitstärksten Partei Stimmen abzunehmen, die Warnungen davor und ein baldiger Kanzler, der seitdem die Kanzlerpartei unter 29% gedrückt hat. Oder, weiter weg: Die Genugtuung, dass jene Stimmen rechtbehalten, die die zweite Amtszeit Trump als dystopische Disruption prognostizierten.

Aber, was hilft dieses Gefühl? Gibt Genugtuung denn eine Art von Trost? Führt sie nicht eher die Ohnmacht vor Augen? Und wie ist es mit den Dingen, die noch nicht geschehen sind? Der Seltene-Erde-Frieden zwischen Russland und Ukraine? Soll ich die heutigen Äußerungen sammeln, die den Frieden als Frieden verstehen und für den Moment aufsparen, wenn Russland den Frieden genug genutzt hat, um gen Moldawien, das Baltikum, Polen zu gehen? Oder, noch weitergedacht: Würde es mir Genugtuung geben, in dreißig Jahren bei 2,2° zu sitzen und den Fridays-For-Hubraums ihre Stoßstangensticker unter die schweißnassen Nasen zu reiben, zu sagen: Ihr lagt falsch? Was nutzt das denn? Wofür dieses blasierte, unproduktive Gefühl Genugtuung, diese Tropfen im Strom?

25. Februar 2025 | 551 Anfragen

Die Kanzlerpartei stellt 551 kleine Anfragen, ob die Omas gegen Rechts u.ä. eine Gefährdung der Demokratie sind, deutschen damit den Deepstate ein zu »Schattenstruktur«, fragiles Gekränktsein folgt dem ausformulierten Pfad, wie Konservative dem Aufstieg der Zersetzer Vorschub leisten.

26. Februar 2025 | Trump Gaza

Donald Trump postet ein KI-Video, Trump Gaza. Aus den dunklen Trümmern der zerbombten Hamas-Krankenhäuser laufen Lumpenkinder ins helle Licht einer neokapitalistischen Zukunft, Immobilen lösen den Nahost-Krieg. Mittelmeersonne gleißt vom Trump Tower Gaza auf Einkaufsparadise, bärtige Frauen tanzen Bauchtanz, Bibi Netanjahu entspannt mit Cocktail auf der Sonnenliege, Elon Musk wirft Dollarscheine wie Glitter in die Luft, Sternentalerkinder tanzen ihre verbrannte Jugend darunter weg, eine goldene Trumpstatue, höher als der Burj Khalifa, Palmen, Sportwagen, Yachten, glossy shiny golden, jedes der Glückskinder mit sechs Fingern, Könige gießen ihre Kolonialismusphantasmen in Prompts, die KI generiert daraus Halluzinationen, billig und katzengoldglänzend, minimaler Aufwand, ohne jede Mühe oder Verständnis produzieren sich so lauter Talking Points zur Ablenkung, der Horror dieser Jahre überzogen vom banalsten aller Filter, getippt erstellt geteilt die Ästhetik dieser Jahre, Faschistenkapitalismusfantasien.

27. Februar 2025 | dann erst möglich

Das ist die Erzählung: Während die amerikanische Regierung {hier einsetzen: Ereignisse der letzten Wochen} formt sich eine Gegenbewegung: in den Town Halls die Gegenreden, angerufene Gerichte, Richter, die anweisen, Streiks, Demonstrationen, nichts Landübergreifendes, keine kollektive Bewegung, eher gebunden an Einzelne der vielen Schutthaufen. Ob das so ist, wie relevant diese Form der Gegenwehr ist, welche Konsequenzen sich daraus ergeben, lässt sich nicht solide einschätzen, vielleicht es auch so, dass ich das gern sehen möchte. Was ich dabei denke: Wenn es so sein sollte, ist die Verzögerung auch ein wesentliches Element. Das Lösen aus einem Schock. Move fast, break things, der erste Monat ist vorbei. Die Realität hat sich verändert. Andere Regeln gelten. Das ist zu begreifen, diese neue Realität anzunehmen, braucht Zeit. Dann erst sind Schritte gegen diese neun Realität möglich. Oder wie Marina Weisband schreibt: »Programm des kommenden Jahres: Du lernst, wie sehr das „Unvorstellbare“ hauptsächlich deine Naivität war.«

28. Februar 2025 | in Jahren

Textzitate von jemanden, der im vergangenen Jahr eine Veranstaltung moderierte, auf der ich in meiner Geburtsstadt über meine Geburtsstadt las, jemand, der im Stadtrat Zwickau sitzt, einer Stadt, in der man beispielhaft die letzten Jahre beiwohnen konnte, wie Rechtsextreme Politik und Zivilgesellschaft einschüchtern und welche Erfolge sie damit erzielen, (und auch beispielhaft sehen, wie kräftig Teile der Zivilgesellschaft dagegen arbeiten). Jedenfalls, Zitate aus diesem Text:

»Gedanken nach der heutigen Stadtratssitzung. Beflügelt vom Bundestagswahlergebnis zeigen sie sich noch siegesgewisser als bisher schon. …  Sie können sich der Mehrheit bewusst sein, auch wenn sie selbst längst noch keine absolute Mehrheit haben …Ich glaube inzwischen nicht mehr, dass wir das wirklich aufhalten können. … womöglich eine Melange aus autoritaristisch-illiberalen Herrschaftselementen kommen, wie wir sie aus Orbán-Ungarn, Polen unter PÍS, Trump-Präsidentschaft in den USA oder postfaschistisch regiertem Italien kennen. Was Landes- und Kommunalrecht irgendwie ermöglicht, wird für totalitären Umbau und Gleichschaltung, für Schleifung der Gewaltenteilung genutzt werden; es wird zuerst die Freiheit der Kunst, die Freiheit von Forschung und Lehre, die Bildung, die Medienfreiheit und den Rechtsstaat (die Justiz) treffen. Dem aufrechten Demokraten werden, wenn er im Parlamentarischen keine Mehrheiten mehr findet, andere Pflichten zuwachsen, nämlich die Verteidigung und der Schutz Schwächerer und Bedrohter … nichts ist sicher.«

Das ist, nach den Zahlen von Sonntag, eine These; die Annahme, dass es dazu kommen wird, vielleicht in absoluter Mehrheit in den kommenden Jahren blaue Ost-Stadt/Landesregierungen, mit den erwartbaren Folgen. Damit soll dieser zügellose Monat enden.

28. Februar 2025 | have the cards

Hm. Damit endet dieser zügellose Monat nicht. Eher mit diesem Dialog im Weißen Haus, vor der Welt, eine unmissverständliche Botschaft an die Welt:

Trump: “You’re, right now, not in a very good position. You’ve allowed yourself to be in a very bad position –”

Zelenskyy: “From the very beginning of the war —”

Trump: “You’re not in a good position. You don’t have the cards right now. With us, you start having cards.”

Zelenskyy: “I’m not playing cards. I’m very serious, Mr. President. I’m very serious.”

Trump: “You’re playing cards. You’re gambling with the lives of millions of people. You’re gambling with World War III.”

Zelenskyy: “What are you speaking about?”

Trump: “You’re gambling with World War III. And what you’re doing is very disrespectful to the country, this country that’s backed you far more than a lot of people said they should have.”

Vance: “Have you said thank you once?”

Zelenskyy: “A lot of times. Even today.”

Trump: “All right, I think we’ve seen enough. What do you think? This is going to be great television. I will say that.”


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